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  • AutorenbildPhysiotherapie_Omega

Über vordere Kreuzbandrupturen

Ziel dieses Textes ist es - Betroffenen oder auch anderen Interessierten - ein tieferes Wissen über vordere Kreuzbandrisse zu vermitteln. Dabei geht es um Themen wie den Unfallhergang, die Therapie, präventive Ansätze etc.


Häufigkeit:

Vordere Kreuzbandrisse (auch Kreuzbandrupturen genannt) gehören zu den häufigsten Verletzungen im Sport. Diese Art der Verletzung geschieht in 70% der Fälle, ohne eine äussere Gewalteinwirkung (auch nicht-Kontakt-Situationen genannt).

So verletzen sich beispielsweise im amerikanischen College und High School Sport (Fussball und Basketball) Frauen 2.4 - 4.2 Mal häufiger als Männer am vorderen Kreuzband. Am häufigsten geschiet dies zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. [W. Petersen and T. Zantop, 2009] Vordere Kreuzbandrisse treten 10 Mal häufiger auf, als hintere Kreuzbandrisse [M. Schünke, E. Schulte, U. Schumacher et al., 2011].



Risikofaktoren:

Die Risikofaktoren können in extrinsische und intrinsische Risikofaktoren aufgeteilt werden. Extrinsisch wäre zum Beispiel ein nasser Untergrund, die Schuhe usw. - es sind somit Faktoren aus der Umwelt gemeint. Intrinsisch hingegen können zum Beispiel anatomische Gegebenheiten oder koordinative Fähigkeiten sein. Die intrinsischen Risikofaktoren sind somit auf den Körper bezogene Faktoren. Demnach liegt es nahe, dass es zwischen Männern und Frauen einige intrinsische Unterschiede gibt. [N. Mirosavljevic, 2016]



Abb. 2: Lage des Kreuzbandes (lat. lig. cruciatum anterius) [M. Schünke, E. Schulte, U. Schumacher et al., 2011]


Funktion des vorderen Kreuzbandes:

Das vordere Kreuzband (VKB oder ACL) hat mehrere Funktionen im Körper. Die Literatur ist sich diesbezüglich nicht ganz einig. Einerseits soll das vordere Kreuzband einen Teil der passiven Stabilität im Knie gewährleisten [M. Schünke, E. Schulte, U. Schumacher et al., 2011; J. Grifka and M. Kuster, 2011; F. van den Berg, 2011; K. Beyer, 2005], andererseits soll es auch propriozeptive Aufgaben erfüllen. Dabei handelt es sich um die Feinabstimmung der Bewegungen und um die Wahrnehmung der Kniegelenksstellung im Raum [D. Kohn, 2005; W. Petersen, D. Rosenbaum and M. Raschke, 2005].


Unfallhergang und Abklärungen:

Vordere Kreuzbandrisse geschehen nicht immer isoliert, sondern teilweise auch als Komplexverletzungen - in manchen Fällen in kombination mit dem Innenband (lig. collaterale tibiale) oder in anderen Fällen zusammen mit dem Innenmeniskus. Seltener werden alle drei Strukturen gleichzeitig verletzt, was man eine "unhappy triad" nennt. Die vorderen Kreuzbandrisse geschehen, wenn das Knie in unphysiologische (für das Knie nicht vorgesehene) Bewegungsrichtungen gezwungen wird, wie z.B. Rotationsbewegungen kombiniert mit einer Adduktion (seitliches Abspreizen) des Knies. Oft wird vom Betroffenen ein deutliches Reissen verspürt, das Knie schwillt stark an und die Funktion des Knies wird beeinträchtigt. Durch verschiedene Tests, einem MRI oder einer Arthroskopie wird schlussendlich die Diagnose gestellt. [R. Rost, H.-J. Appell and C. Graf et al., 2001]


Abb. 3: Möglicher Verletzungsmechanismus [Sports Injury Bulletin, 2021]


Im Anschluss auf die Testung entscheidet der Kniespezialist zusammen mit dem Patienten, ob und wann das Knie operiert werden soll. Je nachdem wie stabil das Knie ist, was der Patient erreichen will (z.B. Profifussballer oder Freizeitjogger) und wie alt er ist, empfielt der Spezialist dem Patienten, sich einer OP (Kreuzbandrekonstruktion) zu unterziehen oder es konservativ anzugehen.


Abb. 4: Vordere Kreuzbandruptur [healthdirect, 2021]


In beiden Fällen (OP oder konservativ), wird der Patient eine Rehabilitationsphase durchmachen. Mit verschiedenen passiven Techniken (vom Therapeuten durchgeführt) wird das Knie behandelt, um die ursprüngliche Mobilität zu erlangen und um eine gute Versorgung zu gewährleisten. Mit dem fortschreiten der Physiotherapie werden je länger desto mehr, aktive Therapiesitzungen durchgeführt, bis es darum geht, den Patienten auf sein ursprüngliches Level zu bringen (oder sogar fitter). Natürlich reagieren verschiedene Menschen verschieden auf die Verletzung / die Behandlungen und machen somit auch unterschiedliche Fortschritte in der Behandlung, weshalb ein Vergleich mit Bekannten oder Spizensportlern - mit derselben Verletzung - kaum Sinn macht. Normalerweise wird mit ca. 6 - 9 Monaten gerechnet, bis zur Wiederaufnahme des Sports im vollen Umfang, abhängig vom verlangten Niveau und individuellen Faktoren (wie z.B. Alter, Heilungsverlauf, Sportart etc.).


Hoffnung für operierte Sportler:

In gewissen Fällen, kann eine Artrose - als sekudäre Folge von vorderen Kreuzbandrissen - einsetzen (Mit Arthrose ist eine verstärkte Abnutzung des Knorpelgewebes gemeint). Nun gibt es Studien, welche aufgezeigt haben, dass bei Sportlern ("pivoting" Sport wie Fussball, Handball und Basketball gemeint), welche sich einer Rekonstruktion des Kreuzbandes unterzogen haben und wieder zurück in ihren Sport kehrten, ein geringeres Risiko für Arthrose im Kniegelenk bestand, in den darauf folgenden Jahren (eine Studie testete nach 1, 3 und 5 Jahren; eine andere nach 15 Jahren). [B. E. Øiestad, I. Holm and M. A. Risberg, 2018; M. J. Haberfield, B. E. Patterson and K. M. Crossley et al., 2021]


Prävention:

Es gibt Möglichkeiten, vorderen Kreuzbandrissen vorzubeugen. Am besten Funktioniert es in jungem Alter. Plyometrie, Neuromuskuläres Training und Krafttraining können bei regelmässiger durchführung das Risiko vermindern. Es geht dabei vor allem um Trainings, wo die Schnelligkeit, Reaktionfähigkeit, Gleichgewicht / Koordination und Kräftigung im Bereich der unteren Extremität / des Knies, gefördert werden. [T. Nessler, L. Denney and J. Sampley, 2017; J. Mehl, T. Diermeier and E. Herbst et al., 2017]

An einer einheitlichen Vorgehensweise, wie besonders gefährdete Sportler identifiziert werden könnten ("screening"), wird momentan noch gearbeitet. Erste Versuche sind schon im Gange. [T. E. Hewett, G. D. Myer and K. R. Ford et al., 2016]

Eine gute Rumpfstabilität scheint das Risiko für Verletzungen in der unteren Extremität auch zu senken. [X.-Q. Wang, J.-J. Zheng and Z.-W. Yu et al., 2012] Wie ein simpler Rumpfzirkel im Training aussehen könnte, sehen Sie in einem früheren Beitrag von mir. (Um den Beitrag zu sehen, klicken Sie hier.)


Zusammenfassung:

Vordere Kreuzbandrisse gehören zu den häufigsten - grösseren - Verletzungen bei "stop and go" Sportlern. Es gibt begünstigende Risikofaktoren, welche die Wissenschaft durch präventive Screening- und Trainingsprogramme, zu limitieren versuchen. Wer heutzutage einen vorderen Kreuzbandriss erleidet, muss nicht mit dem Ende seiner Sportkariere rechnen. Nicht immer erreichen die Betroffenen das alte Niveau, jedoch sind die Therapieverfahren in der Rehabilitationsphase effektiver und zielorientierter geworden, wodurch auch bessere Resultate erzielt werden als früher. Aus diesem Grund, kann in den meisten Fällen eine Wiederaufnahme des Sports realisiert werden.


Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!



Literaturverzeichnis:

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